Also…..! Heute habe ich es ja nun endlich geschafft, meinen
Bericht über meine Erfahrungen, die ich am Dienstag der Woche, an meinem ersten
Praktikumstag im griechischen Altersheim in Spata (bei Athen) gemacht habe,
online zu stellen.
Ich war vor zwei Wochen in der Kirche beim Popen und habe
nachgefragt, ob so was möglich ist und sie haben mir erlaubt, einmal in der
Woche dorthin zu kommen und ein Praktikum dort zu absolvieren.
Ich wollte jedoch eigentlich erst mal sehen, wie es
überhaupt so ist, da zu arbeiten und ob ich es könnte oder ob ich doch lieber
in meinem Beruf bleibe (ich bin Sachbearbeiter und habe schon in den
verschiedensten Bereichen gearbeitet als Sachbearbeiter: Vertrieb,
Arbeitsvorbereitung und momentan bin ich Projektmanager).
Das Haus befindet sich in der Innenstadt, aber eigentlich
recht ruhig gelegen, in einer kleinen Seitenstraße, direkt hinter der Kirche. Es
besteht aus Erdgeschoss und erster Etage und hat im ersten Stock rund 20
Zimmer, in denen bis zu vier Bewohner leben.
Der erste Eindruck war, es könnte auch ein Hotel sein,
eines, das aus den 80er Jahren übrig geblieben ist, es gibt einen großen
Essensraum (in dem ich nie jemand sitzen gesehen habe) und auch die Möbel,
Zimmer, ja selbst die Bäder erinnern mich mehr an ein Hotel als an ein Heim.
Das hört sich positiv an, ist es aber nicht, denn es gibt viel zu viele Ecken,
Kanten und Bodenerhebungen.
Die Betten sind entweder aus Massivholz (!!!), aber mit
Steckgitter oder uralte Krankenhausbetten, niedrigster Standard.
Die Bettwäsche und Decken sind bunt durcheinander
gewürfelt, hier und da zusammen gesucht, also kein einheitliches Design, das
verwendet wird, das gleiche gilt für die Handtücher. Ich denke, dass das alles
private Gegenstände sind, die die Bewohner selber mitgebracht haben. Als
Zudecken werden z.B. diese schweren Sofadecken aus Polyacryl verwendet und darunter
einfach ein weißes Laken, nicht sehr hygienisch.
Auf den Matratzen verwenden sie Dekubitus Matratzen und
darüber dann ein Laken und den nötigen Wäscheschutz. Außerdem war alles
ziemlich dreckig, Dreck in den Türritzen zum Balkon, auf dem Boden und so. Die
Balkontüren stehen offen (es ist ja auch noch recht warm hier zur Zeit) und
sind nicht extra gesichert, haben auch keine Insektenschutzgitter (wie bei mir
daheim).
Nun aber zu meinem ersten Tag:
um 10:30
Uhr sollte ich da sein und wurde dann, nach einer kurzen Wartezeit begrüßt und
zusammen mit „Schwester“ Katarina in ihr Büro gebeten. Hier musste ich erst
einmal erzählen, warum ich das Praktikum machen möchte. Nachdem ich alles
erläutert hatte, haben sie sich damit einverstanden erklärt, dass ich das
Praktikum bei ihnen machen kann. Dann wurde ein Kittel gesucht, der mir
eventuell passen könnte, denn sie sagten den würde ich brauchen, zum einen
damit die Besucher wissen, dass ich „dazu“ gehöre und außerdem würde man
andauernd „irgendwelche“ Flecken abbekommen.
Ich habe ihnen erklärt, dass ich am ersten Tag noch nicht
irgendwelche Aufgaben übernehmen möchte, sondern erst mal mit mir selbst
abmachen möchte, ob ich diesen Beruf überhaupt ausüben möchte.
In diesem Altersheim arbeiten immer 3 Mitarbeiter zusammen
in einer Schicht, die Schichten gehen von 6 bis 14Uhr, von 14 bis 22
Uhr und dann von 22 bis 6
Uhr morgens. 5 Tage die Woche, Wochenenddienst im Wechsel als Überstunden.
Monatsgehalt für diese Vollzeitstelle ist 650 Euro netto.
Wir sind dann in den ersten Stock gegangen und so, wie es
mir schien, wahllos in ein Zimmer. Ich habe erwartet, dass die Bewohner nun gewaschen
werden, aber es fand erst mal nur ein Windeln wechseln statt.
Wir gingen zu einer Dame, die teilnahmslos in ihrem Bett
lag, Katarina bereitete im Bad eine Art Waschmischung aus warmen Wasser und
Flüssigseife zu und füllte diese in eine Art Plastikkrug, so ein kleines Ding, mit
ca. einem Liter Fassungsvermögen.
Sie öffnete die Windeln der Frau, entfernte sie halb, goss
dann eine größere Menge Wasser auf deren Unterleib, in den Intimbereich, um es genauer
zu sagen und säuberte anschließend mit der schmutzigen Windel den Unterleib,
aber nur ganz flüchtig, von „Waschen“ kann da keine Rede sein, nur so kurz dass
man es ‚einmal drüber gießen mit anschließendem Abtupfen’ nennen kann. Dann
wurde das ganze Zeugs entfernt und auf den Boden geworfen. Da blieb es dann
erst mal liegen.
Das war aber noch nicht alles, denn diese Dame hatte einige
große Pflaster, in Höhe der Hüfte und am Steißbein sowie über den ganzen Rücken
verteilt.
Katarina riss das Pflaster einfach ab und ich stand erst
mal eine kleine Weile unter Schock. Ich hatte damit nicht gerechnet, wie soll
ich euch das erklären, mir ist zwar bewusst, dass es so was gibt, ich habe aber
immer gedacht, dass man mit so etwas ins Krankenhaus kommt und nicht im Heim
bleibt. Die Wunden, die die Frau hatte waren zwischen 3 und 10 (!!!) cm
Durchmesser rund, die Haut hatte sich völlig abgelöst und ich konnte in den
Körper hinein schauen, wie in ein Loch. Das rohe Fleisch mit Blut und Eiter
schaute mich an. Ich habe den ganzen darauffolgenden Abend mit googeln
verbracht und bin so jetzt um einiges schlauer. Ich weiß jetzt, dass das
Dekubitus Wunden sind, die von zu langem Liegen entstehen. Ich hätte zwar zu
gern ganz genau gewusst mit was diese Wunden nun behandelt wurden, mein
Griechisch ist eigentlich auch ausreichend genug, nur bei manchen schwierigen
Wörtern hört es dann auf. Ich habe aber erkennen können, dass sie zuerst
Wasserstoff Peroxyd in die Wunde gesprüht hat, das fraß das Fleisch ein wenig
auf (ich hatte auch mal eine eiternde Wunde hier in Griechenland, die ebenso
versorgt wurde) und darauf folgte dann das braune Jod. Zum Schluss hat sie noch
eine Salbe drauf gemacht, hier weiß ich leider nicht, was es war. Und dann
wurde ein neues Pflaster drauf geklebt, fertig. Alleine von zuschauen tat mir
schon alles weh… aber ich verstehe auch, dass wenn man es täglich macht, man da
irgendwie abstumpft. Aber trotzdem, sie tat mir halt sehr leid.
Dann bekam die Dame eine neue Windel und es wurde zwei Mal
über den Kopf gekämmt. Während der ganzen Zeit wurde mit der Bewohnerin kein
einziges Wort gewechselt. Ich nehme an, dass sie Demenz hatte, aber trotzdem
finde ich die Art und Weise, wie Schwester Katarina die Patienten behandelt als
sehr „roh“. Die anderen beiden Schwestern, beide über 50, aber sehr nett,
gingen die Sache mit ein bisschen mehr Gefühl an.
Es wurden dann bei allen Patienten nur die Windeln
gewechselt, niemand wurde gewaschen. Bei einer Bewohnerin hab ich gelernt, wie
man den Urin-Auffangbeutel des Katheters entleert.
Danach wurde bei jedem Bewohner Blutdruck gemessen, auch
meiner. Alle hatten mehr oder weniger gute Werte, nur meiner, der war jenseits
von gut und böse, sie sagte er wäre über 180 zu 90.
Ja. Was soll ich da sagen. Ich habe gewusst, dass ich hohen
Blutdruck habe, aber so hoch?? Das erste, was ich in Deutschland mache, wenn
ich wieder da bin, ist mich von einem Arzt durchchecken zu lassen. Und ab heute
ändere ich mein Leben. Das Rauchen hab ich mir schon im März abgewöhnt und nun
ändere ich auch meine Ess- und Bewegungsgewohnheiten.
Ich vermeide so gut es geht das Salz, esse weniger, nicht
mehr nach 6-7 abends und
nichts Fettiges mehr und viel mehr Obst. Außerdem hab ich mit mir vereinbart,
jeden Tag ein wenig spazieren zu gehen, nur wenn das Wetter total eklig ist,
dann nicht, aber sonst jeden Tag. Und so versuche ich, noch bis Deutschland
ohne Tabletten weiter zu leben und ich hoffe ich habe bis dahin keinen
Herzinfarkt erlitten *klopf auf Holz* Nächsten Monat werd ich noch mal zum
Blutdruckmessen gehen, mal sehen, was sich bis dahin dann geändert hat.
Gegen 12 sind wir dann runter in die Küche gegangen, wo die
Tabletts mit dem Essen fertig gemacht wurden und ich habe Schwester Evangelia
geholfen, diese auf den Rollcontainer zu packen. Dann wurde erst mal Pause
gemacht und man setzte sich zu dem Küchen- und Reinigungspersonal auf die Theke
der Küche.
Ich konnte allerdings nichts essen, keinen einzigen Bissen
habe ich runter bekommen. Und jeder weiß, wie ich fertiges Essen liebe (ich
koche nicht gern für mich selbst).
Das Essen war „Jouverlakia“, was soviel bedeutet wie
Fleischbällchen in Reis und Gemüsesauce oder dickflüssiger Suppe. Dazu ein
Stück Brot. Wir haben das Brot in das Essen bröseln müssen und alles klein
manschen müssen. Anderes Essen war ganz flüssig (wahrscheinlich ein Opfer des
Mixers grins) und in Tassen abgefüllt.
Ich bin dann mit Evangelia und dem Essen wieder nach oben
gegangen und wir haben den Bewohnern das Essen angereicht. Ich habe drei Damen
geholfen. Nun habe ich gedacht, dass man die Bewohner dazu an einen Tisch
setzen würde, aber weit gefehlt, dort, wo der Fernseher stand, dort wurde das
Essen gereicht. Das bedeutet dass die Bewohner auf dem Sofa nebeneinander sitzen
und ich mich andauernd nach unten beugen musste, was sehr unangenehm war,
außerdem hatte ich so keinen Augenkontakt und sah gar nicht richtig, was vor
sich ging, die Alternative bestand darin, sich hinzuknien aber hallo, ich bin
45 und keine 20 mehr, lange habe ich das so also nicht ausgehalten.
Bei einer Dame, die im Rollstuhl saß, habe ich mir dann
auch einfach einen Stuhl heran gezogen und habe das Essen so gereicht, das ging
viel besser. Das Problem war nur, dass sie nicht essen wollte und mir immer
irgendwas erzählte und dann anfing zu weinen und nach ihrer Mama rief. Ich habe
sie dann ein bisschen gestreichelt und ihr gut zugeredet und dann hatte ich ab
und zu wieder ihre Aufmerksamkeit und konnte weiter löffeln. Dann kam Katarina
und sah, wie es so vor sich ging und sie hat mir dann den Löffel aus der Hand
genommen und das Restessen im wahrsten Sinn des Wortes in die Dame
hineingeschaufelt. Ich kann verstehen, dass es schnell gehen muss, aber das war
schon etwas heftig.
Es gibt auch ein paar wenige Bewohner, die nur noch im Bett
liegen und gar nichts mehr machen können. Der Großteil hat schwere Demenz, der
andere Teil bekommt noch alles mit, hat aber körperliche Nachteile, sprich hat
einen Nasenschlauch und bekommt Sauerstoff und hat eine Magensonde.
Eine Bewohnerin haben wir ihr Essen in die Magensonde
spritzen müssen, dazu zieht man eine große Spritze mit flüssigem essen auf und
steckt diese dann in die Schlauchöffnung, eindrücken, fertig. Es erinnerte mich
irgendwie blöderweise an gestopfte Enten, aber gut, wenn es eben nur so geht,
was will man machen.
Es gab aber auch lustige Momente: viele dachten z. B. ich
sei der neue Doktor grins und die drei Schwestern wollten nicht glauben, dass
ich schon 45 bin, die hatten mich alle ausnahmslos erst mal zehn Jahre jünger
geschätzt, acchhhhhh das hat mich doch aber erst mal aufgebaut und glücklich
gemacht – kicher. Ich glaube aber auch im Allgemeinen, dass die Südländer eben
etwas älter wirken und wir Nordlichter etwas jünger, das ist mein Eindruck.
Um zwei Uhr dann folgte die nächste Pause, wir versammelten
uns im Schwesternzimmer und die eine Schicht hatte Feierabend und die neue
Schicht kam: drei Männer, Thanassi, Antoni und Mixali, alle drei noch sehr
jung, ich schätze so um die 25-30 und genauso wie die Schwestern, sehr nett und
zuvorkommend.
Den Nachmittag haben wir damit verbracht, vier
Bewohnerinnen zu duschen. Drei waren bereit und eine mussten wir überreden.
Geduscht wird nur einmal pro Woche. Und während Thanassi die Damen duschte,
wechselte Antoni die Bettwäsche.
Das Duschen ging folgendermaßen: Bewohner ausgezogen und
auf den Toilettenstuhl gesetzt, damit ins Bad gerollt, vor die
Toilettenschüssel. Dann den Bewohner nass gemacht und mit Duschgel geduscht,
Haare gewaschen, abgetrocknet. Es wurde übrigens für jeden Bewohner derselbe
Badeschwamm benutzt ;-)
Die Bäder haben alle ein Waschbecken, Toilette und dann
eine Dusche mit Umrandung, da kommt man also erst gar nicht rein, also wird vor
der Toilette geduscht, sehr umständlich und der arme Thanassi war nach vier Mal
Bewohner duschen fast genauso nass wie die Bewohner.
Danach wurden noch die Ohren gesäubert und einige fingen an
sehr laut zu quieken, die machten einen Mordslärm, fast so, als würden ihnen
die Ohren abgeschnitten und nicht nur gesäubert.
Dann war es irgendwie schon 16 Uhr und ich hatte gesagt, ich bleibe bis vier, das
reicht für den ersten Tag.
Und nun weiß ich gar nicht, ob es überhaupt noch einen
zweiten geben wird. Am Abend war ich mir noch sicher, dass ich das alles so
fortführe, aber nach zwei Nächten drüber schlafen und so, wie ich mich jetzt
fühle, habe ich beschlossen, dass ich mir selber wichtiger bin und ich mich in
der Zeit, die ich noch hier bleibe, nun um mich selbst kümmere und zwar
intensiv.
Ich werde sehr viel Zeit damit verbringen, spazieren zu
gehen. Habe auch vor, meine kleine Kamera dabei mitzunehmen und euch öfter mal
zeigen, wo ich so her wander dann.
Ich werde ja meine Nahrung umstellen und mich mehr auf mich
konzentrieren. Mir geht es seelisch nicht sehr gut zur Zeit, ich leide unter
den schlechten Bedingungen hier zu Hause (Lärm) und dazu kommt immens großes
Heimweh. Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht weine und mir so sehr
wünsche, wieder daheim in Deutschland zu sein, versteht ihr?
Es ist nicht so, dass ich diese Arbeit nicht körperlich
ausüben könnte, es ist viel mehr das psychische, was mich belastet. Da war
absolut nichts aber auch gar nichts Positives, so wie ich es erwartet habe,
sondern dieses Heim ist leider ein Heim der Hoffnungslosigkeit, und es macht
mich traurig, dass das so ist, es ist doch eine kirchliche Einrichtung, da
sieht man mal wieder wie die Kirche sich kümmert.
Alle haben mir versichert, sie würden liebend gerne
und zu jede Zeit meinen Beruf mit mir tauschen, niemand konnte verstehen, warum
ich in die Altenpflege wechseln möchte. Mittlerweile verstehe ich es selbst
nicht mehr so wirklich. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass das, was ich
dort gesehen habe, vielleicht in Griechenland normal ist, ich kann mir das für
Deutschland aber nicht vorstellen. Ich glaube, dass man hier in Griechenland
nur dann in ein Heim geht, wenn es üüüüüberhaupt nicht mehr anders geht bzw
wenn man nicht mehr selber aufstehen kann. In Deutschland gibt es ja aber auch
andere Einrichtungen, so etwas wie Seniorenresidenzen.
Ich bin immer noch sehr nachdenklich … ich sehe es aber als
eine Art der Erweckung an, eine Hilfestellung, denn ich bin mir jetzt auf einmal
klar geworden, dass ich total falsch gelebt habe. Ich habe gesehen wie es ist,
wenn man nur noch sehr wenig Zeit hat und ich habe nachgedacht, was diese
Menschen mir erzählen würden, wenn ich sie gefragt hätte ‚wie war dein Leben’
und wenn ich diese Frage irgendwann einmal für mich beantworten möchte, dann
möchte ich nicht erzählen, wie es jetzt ist.
ALLES WIRD SICH ÄNDERN, ALLES!!! Und der Start war schon
gestern.